Armin Thalhofer

Heißer Sudan, überraschendes Äthiopien

Nach der Einreise in Israel dachte ich allen Ernstes, dass komplizierter und zeitraubender nicht mehr geht…ich sollte mich täuschen. Insgesamt 15 Stunden benötigte ich, um meine Dicke aus dem ägyptischen Zoll zu bekommen. Korruption und eine noch nie erlebte komplizierte Bürokratie musste ich über mich ergehen lassen. Doch dank Beharrlichkeit und Geduld, letzteres in der Vergangenheit nicht wirklich eine meiner Stärken, gelang es mir letztendlich doch, ohne Schmiergelder und ohne zusätzliche Busfahrt nach Kairo (sollte da mein Carnet vom Ägyptischen Automobil Club bestätigen lassen) den Zoll samt Bike am späten Nachmittag zu verlassen. Diese Erfahrung und im weiteren Verlauf die teils unerträglich aufdringlichen Menschen (Hello my friend do you need taxi/guide/cigarettes/want change money, how much is your bike/glasses/bavarian lederhosen usw.), sowie die ständigen Checkpoints/Polizeikontrollen und Eskorten lassen mich das Land in keiner guten Erinnerung behalten. Leider scheint es so, dass übermäßiger Pauschaltourismus die Menschen vor Ort zum „negativen“ verändert.

Ganz anders der Sudan. Ich war total gespannt auf dieses Land. Entgegen der wenigen „offiziellen“ Informationen, die über dieses Land nachzulesen sind (Schurkenstaat/Achse des Bösen/alles Terroristen) hörte ich unisono von Menschen, die den Sudan bisher bereist hatten, nur Positives. Endlose Wüstenlandschaften, unvorstellbar hohe Temperaturen und vor allem extrem nette und gastfreundliche Menschen. Mit den Iranern sollen die Sudanesen zu den gastfreundlichsten der ganzen Erde zählen.

Gemeinsam mit Rico, einem Schweizer, der auf seiner Husqvarna 701 ebenfalls Richtung Kapstadt unterwegs ist, wollte ich dieses Land, das zu einem der ärmsten weltweit zählt, die nächsten Tage „erfahren“.

Bereits beim Grenzübertritt spürten wir den Unterschied zwischen der ägyptischen und sudanesischen Seite. Plötzlich wurden wir mit einem „Welcome to Sudan“ begrüßt, Fahrer von Autos und LKW gaben Lichtsignale oder hupten, die Menschen am Straßenrand winkten uns zu oder zollten uns mit einem „Daumen hoch“ Respekt. Ich hatte umgehend das Gefühl, dass sich sowohl Kinder wie auch Erwachsene freuen, wenn man ihr Land besucht. Mir wurde sehr schnell bewusst, wie krass der Unterschied zwischen den Menschen vor Ort und dem Bild von einem Land, bzw. dessen Regierung sein kann, das man im Kopf hat und das überwiegend durch die Medien geprägt ist. Bis auf den Umstand, dass im Sudan absolutes Alkoholverbot herrscht und wir an kein kühles Bier kamen, war die Welt hier für uns wieder in Ordnung.

Ein weiterer Umstand, mit dem wir zu kämpfen hatten, waren die unfassbar hohen Temperaturen von bis zu 46 Grad im Schatten und 49 Grad in der Sonne. Es war unvorstellbar heiß. 38 Grad waren kein Problem, hohe Temperaturen  war ich mittlerweile gewohnt. So richtig heiß wurde es dann aber ab 40 Grad und spätestens ab 42/43 schließt du dein Visier am Helm, da der heiße Fahrtwind im Gesicht schmerzt. Schatten suchen für einen Stopp war eine ebenso große Herausforderung wie genügend Flüssigkeit aufzunehmen. Rund sieben bis acht Liter Wasser trank ich jeden Tag, ohne auch nur einmal auf Toilette zu müssen. Zudem musste die Menge organisiert und transportiert werden. Hasste ich es bisher, auch nur einen Schluck lauwarmes Wasser zu trinken, war ich jetzt um jeden, noch so heißen Schluck aus der Flasche froh, den die Reserven hergaben. Wasser ist unschätzbar kostbar, das wurde mir im Verlauf der Reise immer bewusster.

Unser Weg führte uns durch unendlich weite Wüstengebiete, teils 200-300 km ohne jeglichen Schatten und ohne eine der wenigen Tankstellen/Rastpunkte zu erreichen. Von der Lebensfeindlichkeit der Wüste zeugten auch die zahlreichen toten Tiere entlang unseres Weges.

Zeugen einer lebensfeindlichen Umgebung
Sandsturm in der sudanesischen Wüste

An einem der Tage machten wir gegen Mittag am Rand eines Dorfes Rast und wollten uns im Schatten ein paar junger Bäume etwas ausruhen. Kaum angehalten, wurden wir von den angrenzenden Bewohnern in einen Vorhof, ähnlich einem Carport aus Lehm mit Strohdach gebeten, eine Strohmatte wurde ausgebreitet und wir bekamen Tee angeboten. Eines der Mädchen, Zainap, sprach relativ gut Englisch. Sie studiert die Sprache in Khartum um einmal Lehrerin zu werden. Die ganzen Kinder der Nachbarschaft, ihre Geschwister und auch ihre Mutter kamen dazu und wir mussten viel von uns erzählen sowie unzählige gemeinsame Bilder schießen. Irgendwann fragte uns Zainap, ob wir helfen könnten das Fahrrad ihres Bruders Mohamed zu reparieren, die Reifen hätten keine Luft. Fahrrad geholt, vorne aufgepumpt aber hinten war der Schlauch gerissen, flicken nicht möglich. Nach kurzer Beratschlagung war für uns klar, das Hinterrad mitzunehmen und im nächsten größeren Ort einen Schlauch und einen Mantel zu organisieren um etwas von der Gastfreundschaft zurück geben zu können, die wir hier erfahren durften. Der Hotelbesitzer in Abri, der uns zudem am Abend ganz überraschend zu sich in sein Privathaus zum Essen eingeladen hat, weckte gegen halb zehn noch einen Dorfbewohner, der Schlauch und Mantel vorrätig hatte und reparierte das Rad. Als Felgenband benutzte er den defekten Schlauch, da der bisher benutzte Teppichstreifen bei der Demontage des Mantels kaputt ging. Am nächsten Morgen fuhren wir die dreißig Kilometer zurück zu Zainap und ihrer Familie und das Rad wurde montiert. Mohamed strahlte über das ganze Gesicht und fuhr immer wieder im Bogen um uns herum. Wir bekamen frischen Kaffee und machten uns nach einer Stunde mit einem irgendwie guten Gefühl und einem Lächeln im Gesicht wieder auf den Weg Richtung Khartum.

Mohamed mit wieder funktionstüchtigem Rad

In der Hauptstadt des Sudan war es just zu diesem Zeitpunkt sehr ruhig und friedlich, da eine Einigung für eine Übergangsregierung zur Demokratie zwischen den oppositionellen Demonstranten und dem immer noch herrschenden Militär weit fortgeschritten schien. Doch irgendwie hatten wir beide das selbe Bauchgefühl, die Stadt und das Land baldmöglichst zu verlassen, ohne noch die „Forgotten Nubian Pyramids“ in der Nähe von  Meroe zu besuchen und Richtung Äthiopien aufzubrechen…leider trügte uns unser Bauchgefühl nicht. Bereits zwei Tage später griff das Militär mit aller Härte gegen die Demonstranten durch. Das Land war abgeriegelt, Internet abgeschaltet und Sprit war nicht mehr zu bekommen. In der Hauptstadt zogen mehr als eine Woche Soldaten durch die Straßen, Straßenbarrikaden brannten und es sind wohl mehrere hundert Menschen ums Leben gekommen. Ein für mich äußerst trauriges letztes Bild von einem Land, dessen Menschen ich als extrem angenehm und gastfreundlich erleben durfte. Ich wünsche mir von ganzem Herzen, dass diese Menschen schnellstmöglich eine demokratische Regierung bekommen, die sie allemal verdient hätten!

erste Wolken am Himmel seit Wochen kurz vor der Äthiopischen Grenze

Äthiopien war überraschend anders. Nie hatte ich zuvor einen so krassen Wechsel von Natur und Menschen in so kurzer Zeit erlebt. Nach einem völlig problemlosen Grenzwechsel änderte sich binnen wenigen Kilometern alles. Die Höhenangabe des Navigationsgerätes zeigte bereits nach weniger als 50 km mehr als 2.000 Meter an, einhergehend mit deutlich angenehmeren Temperaturen zwischen 20 und 30 Grad. Die Landschaft war üppig bewachsen, dichtes, sattes Grün der Pflanzen erzeugte einen auffälligen Kontrast zur nun dunkelroten Erde. Nach mehr als fünf Wochen in Wüstengebieten eine Wohltat…und Bier gab es jetzt auch wieder!

farbenfrohes Äthiopien

Unser Weg führte uns von Gonder aus Richtung Nordosten über die atemberaubenden Simien Mountains nach Aksum und Mekele. Die Landschaft mit den verstreut liegenden Bergdörfern, die vielen Tiere, vorwiegend Schafe, Ziegen und Rinder, waren eine willkommene Abwechslung zur Wüste. Auch die Menschen waren hier anders als im Sudan. Das Land ist dicht bevölkert und so war es die Regel, dass an jedem, für uns noch so abgelegen erscheinenden Ort, innerhalb weniger Minuten Kinder und Erwachsene auftauchten. Ja, die Menschen kamen auch sehr, sehr nah an unser heran, einen für uns Europäer gewohnten „Respektabstand“ gibt es hier scheinbar nicht. Aber wieder einmal, entgegen vieler vorherigen Berichte anderer Reisender, wurden weder wir noch unsere Bikes dauernd betatscht, geschweige denn wurde uns etwas entwendet. Auch mit Steinen werfenden Kindern, ebenfalls eine sich hartnäckig haltende Aussage, hatten wir absolut kein Problem. Wir fuhren in angemessenem Tempo durch die zahlreichen Dörfer und winkten immer den am Straßenrand, teils mit großen Augen auf uns starrenden Menschen zu. Nur zwei/drei mal meinte ich zu sehen, wie ein Kind einen Stein aufgehoben hat. Aber alleine durch die Tatsache, dass ich die Kinder dann gezielt anschaute und ihnen zuwinkte, winkten auch diese zurück. Mich hat jedenfalls kein einziger Stein auf mehr als 2.500 km durch ganz Äthiopien getroffen.

Gelada Affe in den Simien Mountains

Ich habe das Land, als ein weiteres gastfreundliches mit einer wunderschönen Landschaft und einer traditionellen, hervorragenden Kaffeekultur kennen lernen dürfen.

Mittlerweile bin ich in Kenia angekommen, das erste Land des für mich „richtigen“ Afrika…doch dazu später mehr…

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11 Kommentare

  1. Schön, wieder von dir zu lesen! Und gut zu lesen, dass du bisher keine schlechten Erfahrungen machen musstest und “heil” wieder aus dem Sudan raus gekommen bist.
    Hier ist das Wetter nicht ganz so heiß (knapp 30 °) und wir schlagen uns mit ein paar Gewittern rum.
    Schick dir liebe Grüße von meiner angenehm temperierten Terasse!!

  2. Hallo Armin, danke für diesen schönen Bericht. Deine Erlebnisse, die du übrigens sehr gut schilderst, sind sehr interessant. Ich freue mich schon auf den Nächsten. Grüße aus der Heimat von den Hoffis

  3. Hallo Armin, schön dass es dir gut geht und du gesund und munter bist. Deine Berichte lese ich immer mit Begeisterung denn sie sind wirklich gut geschrieben. Was man da so alles erlebt ist schon manchmal seltsam. Diese Eindrücke bleiben für immer in deinem Gedächtnis. Eben in die Festplatte eingebrannt. Wenn du weiter nach Süden fährst besuche unbedingt die Viktoriafälle und den Chobe Nationalpark.
    Liebe Grüße aus der Heimat
    Moni & Raimund

    PS: Nachträglich noch alles gute zum Geburtstag.

    Den wahren Geschmack des Wassers erkennt man erst in der Wüste!!!!!!

  4. Servus Armin,
    freut mich, das es Dir gut geht. Nachträglich noch alles Gute zum Geburtstag.
    Deine Berichte sind sehr interessant und wahnsinnig gut geschrieben.
    Freu mich schon auf den nächsten.

    Weiterhin noch viel Spaß und pass auf Dich auf
    Viele Grüße aus Dachau

  5. Es freut uns das es dir gut geht. Es ist sehr interessant und mein Respekt gegenüber dir und deiner Reise wird immer größer.
    Wir wünschen weiterhin Gute Fahrt und freuen uns auf deinen nächsten Bericht.
    Viele Grüße Sandra und Dominic

  6. Hallo Armin, Wahnsinn was du auf deiner Reise alles erlebst! Pass weiterhin gut auf dich auf … . LG aus Krumbach von Elke und Goran

  7. Hallo Armin,
    Vielen Dank dass du deine Eindrücke so toll mit uns daheim geblieben teilst.
    Deine Berichte und Bilder sind fantastisch. Vielen Dank dafür.
    Weiterhin eine tolle Zeit.

  8. Hallo Armin,

    vielen Dank, dass du uns informieren deines Reiseberichtes und den Fotos auf deiner Reise teilhaben lässt. Schön, dass du so viele gewinnbringende Erfahrungen sammeln kannst. Begegnungen, die mit einem inneren Lächeln enden sind so wertvoll. Ich freue mich mit dir.

    Alles Gute weiterhin

    Eva

  9. Servus Armin,
    wieder ein eindrucksvoller Bericht von dir. Am meisten freut mich immer, wenn man von Berichten liest, deren Vorurteile absolut nicht bestätigt werden….so auch bei Dir. Meine Lieblingsstelle in deiner Schilderung diesesmal….der Absatz mit dem “warmen Trinkwasser”. Erst in so einer Extrem-Situation, ist man wahrscheinlich froh um jeden kleinen Schluck bei knapp werdenden Reserven. (eine Szene wie man sie aus alten Westernfilmen in staubtrockenen Präriegebieten kennt…. wo die Wasserflasche bis zum letzten Tropfen “ausgewirkt” wird)
    Weiterhin gute unfallfreie Reise, einprägsame Erlebnisse und gsund bleiben 🙂
    Gruß Ritsch aus Teising

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